Was habt Ihr vor der Gründung von teech gemacht?
Joel: Ich war immer interessiert am Gründen und habe das mit Swapper nach dem Abitur 2016 auch getan. Das ist eine Tauschbörse für Gebrauchtes. Dann bin ich durch Südostasien gereist, habe mich mit anderen Gründern vernetzt und über die Erlebnisse in einem Blog oder für Magazine Artikel geschrieben. Bevor die Pandemie ausbrach, steckte ich in der Produktion einer Amazon Start-up-Serie, die so ein bisschen wie Chefs Table sein sollte, also Gründer und Gründerinnen in ihren frühsten Stadien begleiten. Doch die Dreharbeiten wurden wegen Corona gestoppt. Direkt zu Beginn der Pandemie haben wir gemerkt, dass auf die Schulen und den Unterricht ein Problem zukommen wird und so haben wir uns mit teech beschäftigt.
Manu: Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Procter & Gamble gemacht. Da ich nicht genau wusste, was ich machen möchte, war so eine Ausbildung genau das Richtige, um erste Erfahrungen zu sammeln. Danach bin ich aber ins medienwirtschaftliche Studium gegangen. Währenddessen war ich als Werkstudent bei der Telekom und in einer Kreativagentur beschäftigt. Als Joel dann Swapper gegründet hat, habe ich hier und da ausgeholfen und stand ihm beratend zur Seite. Nach dem Master ging es dann zu einem Frankfurter Fintech, sozusagen der deutschen Paypal-Konkurrenz.
Wie kam es, dass Ihr Euch Ende 2019 schon intensiv damit auseinandergesetzt habt, vor welchen Herausforderungen Schulen stehen werden, wenn das Corona-Virus auch in Deutschland ankommt?
Joel: Durch meine Asienreise, wo das Virus zuerst kursierte, habe ich mitbekommen, welche Auswirkungen der Lockdown dort hatte. Dass Deutschland damit ein gigantisches Problem bevorsteht, war uns klar, denn digitaler Unterricht war bis dahin kein Thema und es gab bislang nicht wirklich Lösungen dafür. Mein Interesse an der Digitalisierung der Schule begann schon früh: Mit 16 Jahren ungefähr habe ich mir Gedanken darum gemacht, wie man den Stundenplan und vor allem die Vertretungen digital abbilden kann. Denn wenn man zur ersten Stunde vor dem Plan stand und dann erst erfahren hat, dass die ersten beiden Stunden ausfallen, war das sehr ärgerlich. Das virtuell abzubilden, war sehr einfach, aber wegen des Datenschutzes konnten wir es nicht weiter nutzen. Und es gibt immer noch viele Hürden, was neue technische Lösungen angeht.
Manu: Wir saßen 2019 beim Weihnachtsessen am Tisch und haben über die distopischen Bilder im Fernsehen gesprochen: Chinesische Trucks fahren durch die Städte und desinfizieren alles. Anfang 2020 wurde das Bild oder die Ausbreitung immer klarer und unsere Gedanken kreisten immer wieder um das Thema Bildung in einem Lockdown. Also haben wir ein Blatt Papier genommen und an einer Lösung gearbeitet. Im Herbst 2020 habe ich daher meinen Job bei paydirekt an den Nagel gehangen und mit Joel offiziell teech gegründet.
Worum geht es denn genau bei teech?


So sieht die Lernplattform teech und der virtuelle Unterricht aus. Foto: teech
Manu: Gestartet sind wir mit dem virtuellen Klassenzimmer: eine browserbasierte Software, die die Prozesse während des Unterrichts, wie wir sie alle kennen, digital abbildet. Zum Beispiel gibt es ein Whiteboard als virtuelle Tafel. Alle Bedürfnisse, die Lehrkräfte und auch die Schüler beim Unterricht haben, haben wir in ein Tool gepackt. Im Bereich video conferencing gab und gibt es zwar schon Anbieter, aber das sind Business-Tools. Für die Entwicklung haben wir aber auch mit ehemaligen Lehrkräften von uns gesprochen. Mit dem ersten Minimum Viable Product sind wir dann auf Investoren zugegangen.
Joel: Von Anfang an war die Mission mit teech nicht nur das akute Problem durch Distanced Learning zu lösen, sondern den Schülern und Schülerinnen langfristig auch Perspektiven aufzuzeigen. In der Schule lernen derzeit alle dasselbe und auf die gleiche Art und Weise, Talente und Interessen werden kaum gefördert. Würde man Schule heute neu bauen, würde man ganz sicher nicht solche Strukturen etablieren. Mit der Plattform können Kinder und Jugendliche mit ihrer Klasse digital lernen, und wir möchten nun eine bundesweite oder sogar globale Vernetzung mit Gleichgesinnten ermöglichen. Kinder aus zum Beispiel Berlin sollen sich mit jenen aus Darmstadt zusammenschließen können, um etwa über Kodierung zu sprechen. Experten von außen sollen Input liefern.
Eure Inspiration Days sollen vermutlich auf genau das einzahlen?
Joel: Ganz genau. Bei dieser digitalen, schulübergreifenden Veranstaltung gibt es jede Menge Speaker, die inspirieren sollen und den Mut geben, sich mit Themen zu beschäftigen, die einen wirklich interessieren. Das Event ging drei Tage lang und es gab ein super Feedback. Einige Schulen haben das in ihren Unterricht integriert und die Schüler und Schülerinnen sollten einen Aufsatz zu einem Speaker ihrer Wahl schreiben.
Manu: Berufsorientierung ist während der Pandemie komplett flachgefallen. Viele sprechen nur von dem reduzierten Unterricht, doch auch die Perspektiven für die Zeit nach der Schule sind absolut wichtig. Unser Landkreis Dieburg sagte auch, dass sie eine Alternative zu Praktika benötigen, denn auch die sind in der Pandemie zu weiten Teilen weggefallen. Innerhalb und außerhalb unseres Netzwerkes haben sich glücklicherweise sehr schnell spannende Persönlichkeiten dazu bereit erklärt, ihre Zeit im Sinne der Jugendlichen zur Verfügung zu stellen: Sportler wie Philipp Lahm und Nico Rosberg, Entertainer und Unternehmer Joko Winterscheidt oder der Schriftsteller Benedict Wells. Fernab von Prominenten hatten wir aber unter anderem auch eine Herzchirurgin, einen Astronauten oder eine Anwältin zu Gast.
Wenn Ihr Euch mit Bildung beschäftigt, kommt ihr um die Politik, die diese maßgeblich vorgibt, nicht herum. Steht Ihr im Austausch mit der Politik?
Joel: Wir dachten, der richtige Weg sei, Lobbyismus zu betreiben und an die Ministerien heranzutreten. Denn auf unser Tool und den Mehrwert müssen wir natürlich aufmerksam machen. Die Politik ist ja auch ein Multiplikator für uns. Wir haben aber gemerkt, dass das eine Sackgasse ist und dass es viel zielführender ist, auf die Schulen zuzugehen. Nichtsdestotrotz war zum Beispiel Thomas Sattelberger, heute Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, als Schirmherr bei den Inspiration Days 2021 dabei.
Das Thema Gründung oder Unternehmertum findet im Lehrplan bisher kaum statt. Wie würdet Ihr so ein Modul für die Schule gestalten, wenn Ihr freie Hand hättet?
Joel: Wir möchten Schülern und Schülerinnen helfen, ihre Passion zu entdecken, sie fördern und sie mit Gleichgesinnten zusammenbringen. Unternehmertum ist ein Punkt, für den sich immer mehr Jugendliche interessieren, aber das wird in der Schule nicht beigebracht. Bei dem von dir angesprochenen „Entrepreneurship“-Modul müssen wir gar nicht im Konjunktiv reden, denn genau so ein Projekt haben wir tatsächlich vergangenes Jahr umgesetzt: 10 verschiedene Schulen aus der ganzen Welt haben uns jeweils eine Klasse eine Stunde pro Woche zur Verfügung gestellt – den Unterricht sozusagen an uns outgesourct. Wir haben uns dann jeden Schüler und jede Schülerin einzeln angeschaut und nach den Interessen gefragt. Viele nannten das Unternehmertum. Es gab dann keine Lehrer, sondern Experten in dem Gebiet Gründung als Gastredner. Wichtig und schön an dem Projekt war, dass alle eine Passion für das Thema hatten und das sollte auf jedes andere Thema wie beispielsweise Filmproduktion übertragen werden.
Ihr habt inzwischen auch eine Kooperation mit dem bekannten Nachhilfe-Anbieter Studienkreis. Warum?
Manu: Hintergrund der Kooperation ist unter anderem, dass es schwer ist, allein mit unserer Software an Schulen zu monetarisieren. Langfristig soll das für uns also über den Nachmittagsmarkt geschehen wie bei der Nachhilfe. Studienkreis ist sehr etabliert und bekannt für eine hochwertige Nachhilfe. In Sachen Digitalisierung des Angebotes helfen wir dann aus, denn Zoom ist hier keine Dauerlösung. Deren knapp 120.000 Kunden werden sukzessive ab diesem Quartal die Möglichkeit haben, unsere Plattform zu nutzen.
Das Interview führte Gesine Wagner.
Du willst mehr erfahren? www.teech.de
Weitere Interviews von Gründen & Wachsen.