Sally Schulze hat mit ihrem Team eine Plattform entwickelt, die psychologische Betreuung für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch anbietet. Wie sie dazu kam, vor welcher Problematik sie bei dem Unternehmensaufbau steht und mit welcher Frauenkrankheit sich MentalStark derzeit beschäftigt, hat sie uns im Interview erzählt.

Sally, Du hast Psychologie studiert. Wie kamst Du zum Thema des unerfüllten Kinderwunsches?

Da ich nach dem Studium nicht sofort wusste, wie ich damit weiter mache, habe ich zunächst eine Ausbildung zur Psychotherapeutin gemacht. Das kostet leider gar nicht einmal so wenig, daher habe ich nebenbei in der Uni-Frauenklinik als Notfall-Psychologin gearbeitet. Ich habe die Risiko-Schwangerschaften und Neugeborenen-Intensivstation betreut. In Fällen von Frühgeburten oder nicht lebensfähigen Babys beispielsweise gibt es keine diagnostische Phase für die Psyche, sondern als Psychologin schaltet man sich direkt unterstützend ein. Das lag mir sehr viel besser als chronische Krankheiten zu therapieren, auch wenn ich mit einem immensen Leid konfrontiert war. Der Wunsch, nach dem Staatsexamen eine eigene Praxis zu gründen, war einfach nicht da. Also habe ich mich in der Tele-Psychologie weitergebildet und bin zu einem Anbieter für Betriebliches Gesundheitsmanagement gegangen.

 

Was genau macht man da?

Ich habe in einem Employer Assistance Programm gearbeitet und stand den Mitarbeitenden schnell telefonisch zur Verfügung. Und da dachte ich mir, dass das auch die Frauenheilkunde braucht: Telefon- oder Video-Call-Betreuung, auf die sie nicht lange warten müssen, wenn es plötzlich eine schwierige Situation gibt. Zeitgleich war eine Freundin von mir vom unerfüllten Kinderwunsch betroffen. Das war ungefähr im Sommer 2019. Bereits Ende 2019 startete ich mit dem Förderprogramm von Youth Business Germany, um die Plattform MentalStark zu entwickeln.

 

Was bietet diese Plattform?

Zum einen die angesprochene Möglichkeit, sich unkompliziert mit Experten zu dem Thema in Verbindung zu setzen, ohne dabei zu einer Praxis fahren zu müssen. Die Freundin von mir inspirierte mich aber auch zu einem anderen Baustein: Auf der Plattform MentalStark soll es auch alle verfügbaren Informationen zum Kinderwunsch geben, damit sich Betroffene zunächst selbst helfen können. Natürlich hätte sie mich als Freundin zu jeder Zeit anrufen können. Doch nicht jeder hat eine befreundete Psychologin, die rund um die Uhr erreichbar ist, und vor allem wollte sie nicht bei jeder Frage, um Hilfe bitten müssen, sondern sich auch selbst informieren können. Daher gibt es unter anderem Tutorials und eine Wissensdatenbank.

 

Du konntest für das Thema schnell zwei weitere Gründungspartner begeistern. Wie seid Ihr vorgegangen?

Uns war klar, dass wir nicht im stillen Kämmerlein etwas entwickeln und bauen konnten, um es dann auf dem Markt zu bringen, und zu hoffen, dass es gut ankommt. Ein Pharmakonzern hat zur Frauengesundheit und Kinderwunsch bereits ein gutes Programm angeboten, aber es wurde nicht so richtig angenommen. Wir wollten also mittels User-centered Agile Development daran gehen. In der Vorgründungsphase gab es eine Studie mit zwei Unikliniken. Wir haben viele potentielle Nutzerinnen interviewt und gefragt „Welches Problem löst dieses Programm nicht?“, um Stück für Stück zu dem Produkt zu gelangen, das wirklich hilft. Danach zu fragen, was fehlt oder wo es nicht gut läuft, ist unerlässlich und bei diesen Interviews haben uns Psychologen unterstützt, die so etwas tagtäglich, aber in einem anderen Kontext mit ihren Patienten machen.

 

Apropos „Fragen, was fehlt“: Ihr nutzt viele Förderprogramme, nehmt an Wettbewerben teil und seid gut vernetzt. Wobei kann Euch das Frankfurter Gründungsökosystem aber nicht so richtig helfen?

Ich habe letztens in Darmstadt einen befreundeten Gründer getroffen. Die haben dort ein großes Büro mit guter Anbindung zu einem absolut bezahlbaren Preis. Wir haben mit unserem Unternehmen gerade in der Wachstumsphase eine Größe, bei der die Miete viel zu hoch ist und wir wissen nicht, wie wir das schaffen sollen.

 

Wie habt Ihr die Gründung finanziert?

In der Anfangsphase hat mir das Hessen Ideen Stipendium geholfen. Außerdem haben wir alle drei Nebenprojekte gehabt, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Bis heute wachsen wir nur aus unseren Umsätzen. Uns war wichtig, stets selbst bestimmt zu bleiben und eine klassische Finanzierungsrunde kam daher nicht in Frage. Ich frage mich sowieso, weshalb teilweise so unfassbar viel Geld in Start-ups gepumpt wird. Der Annahme mancher Investoren, dass es unendliches Wachstum gibt, folge ich nicht. Gesundes Wachstum und auch noch etwas von meinem Wochenende zu haben – das ist mir und unserem Team wichtig.

 

Also fällt es dir nicht schwer, nach der Arbeit abzuschalten?

Die Distanz zu dem Berufsalltag zu wahren ist eines der Dinge, die mir meine Mitgründer beigebracht haben. Ich selbst wäre vermutlich in die Falle getappt, nichts anderes zu tun als zu arbeiten. Aber deren Erfahrung im Projektmanagement war hier sehr hilfreich. Sie haben von Anfang die Well-Being-Officers raushängen lassen und wir arbeiten in dem Maße, wie es unser Privatleben zulässt.

 

Welche Projekte stehen denn bei MentalStark aktuell an?

Das Kinderwusch-Modul ist weitestgehend fertig und jetzt wenden wir uns einer Krankheit zu, die Frauen das ganze Leben lang begleitet: Endometriose. Das ist eine gutartige, aber chronifizierende Erkrankung. Vor allem während der Periode leiden Frauen unter sehr starken Schmerzen und es kann auch die Empfängnis beeinträchtigen. Auch hier möchten wir eine psychologische Begleitung der ärztlichen Behandlung anbieten. Das ist sozusagen der erste Schritt Richtung Skalierung.

 

Wollt Ihr das Angebot von MentalStark denn auch bezüglich der Zielgruppe erweitern, also auch Menschen betreuen, deren Partnerinnen einen unerfüllten Kinderwunsch haben?

Im Grunde machen wir das, aber zu den Bedürfnissen der Partner gibt es noch sehr wenige, stichhaltige Informationen. Vor allem Männer denken häufig, dass sie in den Therapie-Gruppensitzungen den Frauen einen Platz wegnehmen. Aber auf unserer Plattform Informationen und Wissen bereitzustellen halten wir für absolut sinnvoll. Unser Kerngeschäft ist aber die Frauenheilkunde.

 

Das Interview führte Gesine Wagner.

Du willst mehr erfahren? www.mentalstark.online

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