„Objektivität entsteht aus der Kombination mehrerer Subjektive“, sagt Jochen Adler. In Anbetracht dessen fragte er sich, wie objektiv der Eindruck von Ereignissen in der Welt sein kann, wenn wir uns nur durch deutsche Medien informieren. Mit übersetzten Artikeln von Medien aus ganz Europa möchte er zur Völkerverständigung beitragen und es ermöglichen, Medien vielfältiger zu nutzen. Daher kann man mit seinem Start-up unter anderem eine englischsprachige Zeitung aus der Ukraine lesen – auf Deutsch, wenn man möchte. Der Frankfurter Gründer erzählte uns, worum es bei Kompreno genau geht.
Jochen, was hast Du vor Deiner Gründung gemacht?
Jochen Adler: Mit Mitte 40 sind manch andere schon Seriengründer. Für mich ist es aber die erste Gründung. Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert, war dann in der Beratung tätig und lange im Bereich IT einer Bank in Frankfurt. Es gab einige Gespräche in der Familie, bis ich es dann gewagt habe, Kompreno zu gründen.
Worum geht es bei Kompreno?
Wir möchten die Mehrsprachigkeit im Journalismus fördern. Wolfgang Blau, ein deutscher Publizist, hat einmal gesagt, dass Europa im Gegensatz zu beispielsweise den USA einen entscheidenden Nachteil in der Medienbranche hat. Und zwar, dass wir keine gemeinsame Sprache haben. Wir möchten durch übersetzte, journalistische Artikel in einem Plattformmodell zur Völkerverständigung beitragen.
Wie macht ihr das?
Bei Kompreno finden Nutzer und Nutzerinnen nicht nur Artikel von einem deutschen Medium, sondern Hintergrundberichte und Reportagen von vielen Medien über die Ländergrenze hinweg, übersetzt in die gewünschte Sprache. Wer also wissen möchte, was beispielsweise in Frankreich los ist, und dabei nicht nur durch deutsche Medien mit der Außensicht informiert werden möchte, kann bei uns die Le Monde lesen – auf Deutsch oder einer anderen Sprache. Spannend sind auch Berichte ausländischer Medien über das Geschehen in Deutschland.
Ausländische Zeitungen kann man doch schon länger auch in Deutschland kaufen?
Ja, aber wer dann eben kein Englisch, Spanisch oder Italienisch sprechen oder lesen kann, dem bringt auch die Originalausgabe in Deutschland nichts. Außerdem findet die Nutzerschaft diverse Medien aggregiert bei uns auf einer Plattform und muss nicht jede Website einzeln besuchen.
Wie kann man Kompreno aufrufen?
Momentan ist es eine Browser-Anwendung. Es wird und muss aber definitiv auch eine App geben, über die man Kompreno nutzt. Das haben uns Nutzer und Nutzerinnen schon zurückgespielt.


So sieht ein übersetzter und in Kompreno integrierter Artikel auf einem Tablet aus. (Foto: Kompreno)
Das Bezahlmodell ist auch im Journalismus immer ein großes Thema. Für was habt ihr euch entschieden?
Da wir Inhalte auf einer Plattform zusammenbringen, wie beispielsweise Netflix und Co., haben wir uns auch mit einem Abomodell auseinandergesetzt. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob das wirklich das ist, was die Konsumenten wollen. Wir beobachten, diskutieren und lernen viel. Manche zahlen lieber für einzelne Artikel und dann nur Centbeträge, andere wiederum haben gerne ein Guthaben, das aufgebraucht wird. Derzeit ist es aber ein Abomodell.
Wie kam es zur Gründung von Kompreno?
Das kam über die Sprachtechnologie, für die ich mich schon länger interessiert habe. Ich war zum Beispiel mal im Bereich Callcenter-Systeme tätig und habe mich damit beschäftigt, wie Technologie aus Audio-Dateien Texte transkribieren kann. Ich finde es faszinierend, wenn neue Entwicklungen der IT-Szene aus der Nerd-Ecke herauskommen und in der realen Welt wirklich einen Impact haben. Manches bleibt aber eben auch eine Spielerei.
Kompreno ist ein Medien-Start-up und richtet sich primär an Endverbraucher. Bislang warst Du aber immer B2B unterwegs, oder?
Ja, das stimmt. Ich habe eine große Leidenschaft für Medien und guten Journalismus. Das, was wir jetzt bei Kompreno machen, ist genau das, was ich und alle, die daran mitarbeiten, sich schon immer als Konsumenten gewünscht haben. Bei der Produktentwicklung haben wir daher eigentlich etwas gemacht, was man nach Lehrbuch nicht machen sollte: Wir haben sie nach unserem Interesse gerichtet und nicht nur nach den Konsumenten. In unserem Fall ist es aber deckungsgleich. Zum Glück!
Wie kam oder kommt Dein Vorhaben, Medien zusammenzubringen – vielleicht auch in eine Konkurrenzsituation zu bringen – denn in der Verlagswelt an?
Tatsächlich fällt unsere Partnerschaft hier auf fruchtbaren Boden. Verlage beschäftigte sich schon lange damit, wie sie ihre Marken mit den existierenden Sprachbarrieren internationalisieren können. Und digitale Modelle sind da auch immer gefragt. Sehr viele, darunter DIE ZEIT, brandeins oder Le Monde, haben sich bereits auf das Marktexperiment eingelassen. Da war ich positiv überrascht. Dadurch, dass wir sehr einzigartige Artikel der jeweiligen Medien auswählen, entsteht auch gar keine so große Konkurrenzsituation.
Ihr entscheidet also, welche Artikel auf der Plattform landen?
Genau, dafür haben wir ein Team und einen Head of Content. Zum einen möchten Verlage gar nicht alles in Kompreno einspielen, weil ein gewisser Teil ja auch in dem Originalmedium exklusiv bleiben soll. Zum anderen würden sich bestimmte Themen sonst auch wiederholen, wenn alles von allen reingespielt wird. Wir möchten Artikel mit Alleinstellungsmerkmal. Dadurch, dass die Auswahl von unserem Team durchgeführt wird, behält Kompreno trotz der maschinellen Übersetzung einen menschlichen Faktor, was wir wichtig finden. Und auch die Übersetzungen werden derzeit noch Korrekturgelesen.
Bei euch gibt es derzeit fünf Sprachen: Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Französisch. Findet man alle Artikel in allen Sprachen?
Nein, in der Regel nicht. Jedenfalls kann man prinzipiell nicht die ursprüngliche Sprache lesen. Deswegen gibt es DIE ZEIT bei uns nicht auf Deutsch. Was wir bieten, ist das zusätzliche Fenster zur Welt. Wir stellen deshalb den Verlagen frei, auf welchen Sprachen wir ihre Artikel übersetzen und ausspielen dürfen.
Ihr habt auch eine Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung gestartet. Wie lief die?
Die Kampagne hat ihr Ziel leider nicht ganz erreicht und somit wurde auch nichts von dem Geld ausgezahlt. Ich bezeichne sie trotzdem als Erfolg, denn sie hat uns Aufmerksamkeit gebracht als wir gerade an den Markt gegangen sind. Das war im April dieses Jahres. Entweder gewinnt man – oder man lernt: Vermutlich haben wir das Finanzierungsziel am Anfang zu hoch angesetzt und hätten stückweise vorgehen sollen.
Musste es dann nur durch Eigenfinanzierung laufen?
Auch, aber nicht nur. Wir haben auch eine Fremdfinanzierung über die Frankfurter Sparkasse und die Bürgschaftsbank Hessen erhalten. Das ist nicht einfach für ein Start-up, aber es hilft immens. Außerdem haben wir drei Business Angels.
Welche konkreten Projekte stehen gerade bei euch an?
Zwei Dinge: Erstens erweitern wir unser Angebot für Firmenkunden. Unsere Sprachtechnologie kann gezielt Artikel empfehlen und ausspielen, die fürs jeweilige Business und die Belegschaft relevant sind, unabhängig davon, wo sie erschienen sind. Ein Booster für Wachstums- und Change-Initiativen, insbesondere Internationalisierung, Innovation, Diversity und Inklusion. Und zweitens bin ich besonders stolz darauf, dass wir Kompreno für unter 25-Jährige kostenlos anbieten können. Ich dachte eigentlich, das schaffen wir erst, wenn wir Sponsoren dafür finden. Aber schon jetzt schließen wir eine Art Generationenvertrag, der diesen Bildungszugang für junge Leute ermöglicht. Darauf bin ich besonders stolz.
Das Interview führte Gesine Wagner.
Du willst mehr erfahren? www.kompreno.eu
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